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Baumberge Runner’s High

Baumberge, laufend. Lauschig. Longitudinalwelle. Oder Transversal? Meilensteine. Leben.

Jemand aus der Laufgruppe hat prophezeit, ich werde nach 20 Kilometern Bergelaufen am Ende kotzen, doch wenigstens bis Kilometer 10 trägt die “Longitudinalwelle” aus Streckenunkenntnis und Vorfreude auf den Longinus-Turm: Gasthaus Lauschig, Hoheberg rauf und runter, Leopoldshöhe rauf, den Longinus von Norden, runter bis zur Havixbecker Straße Richtung Nottuln und die Steverquellen wieder rauf. Aber dann, zwischen Kilometer 10 und 11, wenn die Welle verebbt und es zum zweiten Mal zum Longinus hinaufgeht, frage ich mich, ob das wirklich sein muss.

Immerhin, höher als der Westerberg mit seinen bescheidenen 188 Metern wird’s nicht werden – was nicht bedeutet, dass es von dort nur noch bergab geht.  Schon die unscheinbare Allee von der Stevermühle zurück zur Leopoldshöhe wird im Laufschuh quälend lang. Schwülwarme Hitze drückt in die Senke, die Sonne steht hoch, kein Wasser im Survival-Gürtel und vor uns die nächste Steigung zum Hoheberg, die ich mit meiner Rennrad-Übersetzung gar nicht treten kann. Wir nicken kurz den Kerlen mit den dicken Oberschenkeln zu, die das mit ihrer Übersetzung schaffen und bedienen uns kurz vor dem Kreislaufkollaps am Wasserhahn eines Anrainers. Der Körper verdunstet, das ganze Sein konzentriert sich in einem Gedanken: hier rauf.

Oben wird alles ganz leicht. Der Kopf ist leer, die Beine sind schwerelos, ich könnte ewig laufen so bergab. Und jetzt geht es ja wirklich nur noch bergab, jedenfalls fast. Das Lauschig kommt in Sichtweite und dann ist es tatsächlich geschafft. Wir könnten frühstücken, das Gasthaus ist geöffnet, aber wer will schon nach einem 20 Kilometer Berglauf stante pede etwas essen? Oder Kaffee trinken?

Nein, das war nicht so schlimm wie angekündigt und schon lange nicht so schlimm wie der weißt-du-noch-damals-Radurlaub mit zwei starken Männern in den Abruzzen, als ich schwächelnd verlangte, die Zelte 800 Meter vor der letzten Passhöhe in einer kleinen Schneise aufzuschlagen, weil nichts mehr ging, ohne frisches Wasser und nachts das Heulen der Wölfe im Ohr. Das ganze Dorf hatte stumm zugeschaut, wie drei Verrückte sich in der Abendsonne Kehre für Kehre den Berg hinaufwinden und in die Stille hinein hatte ein Alter “Brava” gesagt als ich an ihm vorbeifuhr und dieses “Brava” trug mich zum Dorf hinaus und dann keinen Meter weiter.

Heute ist für den Nachmittag nur noch Abkühlen am Kanal angesagt. Keine weitere Passhöhe. Unterkunft ist gesichert. Verpflegung auch. Hitze genießen. Frei sein – high sein.

Yeah, ich lebe noch.