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Zum Kuckuck mit der Kunst in Kinderhaus

Ist das Kunst oder sieht das hier immer so aus?

“Kunst kommt von küssen”, hat der verstorbene Regisseur Klaus Lemke beim Filmfest München Ende Juni behauptet. Doch die Muse küsst, wen und wie sie will. Und manchen küsst sie gar nicht, der dennoch – wenn schon keine Kunst – das eine oder andere Gelegenheitswerk produziert.

Um es vorwegzunehmen: es ist nicht alles uninspiriert, was aktuell in Kinderhaus als “Kunst am Rand” gezeigt wird. Für manche Werke braucht es vielleicht einfach nur mehr Licht, wie beispielsweise für die “Goldene Stadt” von Kiki Schöpper, deren goldene Bauklötze und goldene Käfige in einem dunklen Waldstück ohne Sonne glanzlos ermatten. Andere Werke mussten bereits in Sicherheitsverwahrung genommen werden, wie “Work_’it’_Out” von Tony Boiso, ein aktueller Kommentar zum Krieg in der Ukraine. Der zerschossene Schädel ist in der Frontalansicht hinter Glas überhaupt nicht zu sehen.

Die Angst vor Vandalismus ist leider berechtigt und hat bereits zur Zerstörung des Werkes “LOST” von Thomas Ungruh geführt, der daraufhin dem Werk auch den Titel entzogen hat. Auf derselben Wiese nahe des Pfarrhauses, nicht weit vom zerstörten Werk entfernt, hat die Künstlerinnengemeinschaft Seltene Erden ein Bauschild aufgestellt. “Heimat” informiert über ein vermeintliches Bauprojekt einer Unterkunft für Geflüchtete mit Café und Fahrradwerkstatt. Gefördert durch die “Weltgemeinschaft”, “Freundlichkeit und liebevolles Sein e. V.” sowie durch die “Füllhornkasse eG Münster”. Doch das Kleingedruckte liest man nicht. Es bleibt ein beabsichtigter Schreckensmoment, der mangels direkt zugänglicher Informationen nicht aufgelöst wird und provoziert. Die Künstlerinnen wollen ins Gespräch kommen. Die auf dem Bauschild angegebene E-Mailadresse ist echt und lädt zu einer Gesprächsrunde zum Thema Flucht und Vertreibung ein. Ob das angenommen wird, bleibt abzuwarten.

I was before where I am not today.
It is the simple road between two points,
a simple metamorphosis.

Im Rahmen des Themenschwerpunkts “Heimat” sind Flucht und Vertreibung wiederkehrende Themen auf dem Kunst-Parcours, aber beileibe nicht die einzigen. Martha Lucia Inagán zeigt in “Spiral” eindrücklich den Zustand der Metamorphose, des “nicht mehr “und “noch nicht”, des “Dazwischenseins” als permanenten existenziellen Zustand.

MK_Monkeys-Paradise

Nicht nur Kindern wird “Monkey’s Paradise” von Kirsten Mühlbach Freude machen. Das mit transparenten Farben bemalte Glashaus auf Gut Kinderhaus entführt in eine fröhliche Welt aus bunten Blumen, Farnen und Tieren, während es uns vorübergehend Schutz vor dem Regenschauer bot.

Und wieder kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die präsentierte Kunst von den Stadtteil-Bewohnern nicht so recht akzeptiert wird. Eine zufällig vorbeiradelnde Anrainerin beschimpft “Syringladome” von JoAnn abschätzig als “Umweltverschmutzung”. Nicht ganz zu Unrecht: Die kleinen, von medizinischen Spritzen durchstoßenen Dessertschälchen, die, umflattert von langen Bändern, wie zufällig in den Bäumen hängen, erinnern ein wenig an Quallen, die aus den Tiefen des Ozeans hier gestrandet sind – oder an Müllreste aus dem nächsten Müllcontainer. Nachts sollen sie dank phosphoreszierender Farbe leuchten – das wäre vielleicht ein hübscher Anblick …

Und dann sind da noch rund 20 Hinweisschilder von Pier van Dijk, die mal rechts, mal links die Richtung “Zum Kuckuck” weisen. Doch wo, zum Kuckuck, ist der bloß? Witzig, wie diese Idee funktioniert, wenn man nur ein paar von den Schildern wahrnimmt und bemerkt, dass der vermeintliche Kuckuck überall und nirgendwo zu finden ist.

“Kunst am Rand” ist nicht die Documenta – aber ein spannendes Projekt am Rande der Stadt. Die kleine Schnitzeljagd macht Spaß und die verstreuten künstlerischen Interventionen fordern heraus – zu Fragen, zu Widerspruch oder auch nur zu einem Schulterzucken. Nicht zuletzt kann man als Ortsunkundige überraschende Entdeckungen machen, wie beispielsweise den historischen Kern rund um das Heimat- und Lepramuseum in Kinderhaus.

Ausstellung in Kinderhaus “Kunst am Rand“, 12.06.-25.09.2022

Mehr Informationen:
https://www.stadt-muenster.de/kunst-am-rand/startseite